FC Sulingen und TuS Sulingen gründen eine JSG, die längst nicht nur leistungsorientiert ist

Die Schwangerschaft war lang. Ungewöhnlich lang sogar. „So fünf Jahre wohl“, lacht Andreas Lüdeke. „Vielleicht auch noch etwas länger“, fügt Dominic Brock schmunzelnd hinzu. Da sitzen sie nun, die „stolzen Eltern“. Seite an Seite und lächeln sich an. Lüdeke in der Trainingsjacke seines FC Sulingen, Brock in der seines TuS Sulingen. Beide sind Jugendleiter ihrer Clubs, kollegiale Rivalen eigentlich, vereint jetzt aber in einer Herzensangelegenheit. Und sie sprechen über „ihr Baby“, dessen Geburt sie „froh und stolz“ macht. Die jahrelange Schwangerschaft mit zum Teil heftigen und schmerzhaften Wehen ist da längst vergessen. „Zum Schluss ging alles sehr schnell“, erzählt Lüdeke. Jetzt ist „ihr Baby“ endlich da! JSG Sulingen heißt es, ist beide Vereine umfassend groß und bei der Geburt zwölf Mannschaften schwer.

Mit der Gründung einer Jugendfußball-Spielgemeinschaft zwischen dem FC Sulingen und dem TuS Sulingen, die ab der neuen Saison in Kraft tritt, ist den beiden Jugendleitern und ihren Clubs ein historischer Schulterschluss gelungen – zum Wohle aller fußballbegeisterter Kinder in Sulingen und umzu. Im Herzen des Landkreises Diepholz als attraktive Anlaufstätte für jugendliche Fußballer aller Altersklassen. „Natürlich sind wir beide Löwenmütter, die wirklich alles für ihre Vereine tun“, sagt der 37-jährige Brock, und eine gesunde Rivalität zwischen den Clubs werde es auch weiterhin geben, „aber es war endlich Zeit für gewisse Veränderungen, gerade, was den Jugendbereich anbelangt.“ Dem pflichtet Lüdeke bei: „Wir haben uns zusammengesetzt, Tacheles geredet, Vertrauen aufgebaut. Und einen Weg gefunden. Einen Weg für die Kinder, die Fußball spielen möchten.“ Ohnehin seien die vor Jahrzehnten noch tief verkrusteten Ablehnungs-, Misstrauens- und Feindschaftsgedanken unter den Clubs längst aufgeweicht. „Ich kann mir heute ruhigen Gewissens in meiner FC-Jacke ein Spiel beim TuS anschauen, genauso wie Dominic in seiner TuS-Jacke zum FC-Platz kommen kann. Da fliegen keine Molotov-Cocktails“, lacht Lüdeke.

Eine gute Basis für eine JSG. Und wichtig ist den beiden Jugendleitern, die diese Spielgemeinschaft federführend ausgearbeitet haben, dass jetzt nicht der Eindruck entstünde, in Sulingen wolle man eine elitäre Fußballakademie aufbauen. „Natürlich wollen und müssen wir leistungsorientierten Fußball anbieten und fördern“, sagt Lüdeke, „aber ganz wichtig ist es uns, auch Fußball als Breitensport anzubieten, unabhängig davon, ob ein Kind nun hoch talentiert oder weniger talentiert ist.“ „ Alle Kinder sollen die Möglichkeit haben, in Sulingen Fußball zu spielen, Spaß an diesem Sport haben, egal in welcher Liga, um die Lust am Fußball nicht zu verlieren“, ergänzt Brock.

Daher wird jede Alterklasse auch mit zunächst mindestens zwei bis drei Mannschaften besetzt sein. Ein Team, das ab der C-Jugend möglichst auf Bezirks- oder Landesebene spielt, das/die andere/n als Mannschaft für Breitensport. „Und durch das Bündeln der Potenziale beider Vereine erhalten die Kinder und Jugendlichen im Leistungs- wie auch im Breitensport eine top Ausbildung und Förderung“, betont der 49-jährige Lüdeke. Brock verspricht ergänzend: „Die Vereine werden ihre Arbeit voll und ganz auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen abstimmen.“ Das Motto: Stärken stärken, Schwächen schwächen!

Die JSG erstreckt sich von der U12 (jüngerer Jahrgang D-Jugend) bis hin zur U19 (A-Jugend). Die anfänglichen Grundbausteine für die ganz Kleinen werden in den jeweiligen Vereinen vermittelt, ehe die Kinder dann nach der U11 (E-Jugend) in die JSG wechseln. „Das soll auch dazu dienen, damit die Kinder erstmal eine Vereinszugehörigkeit aufbauen und kennenlernen können“, erklärt Lüdeke. Die Spielgemeinschaft biete dann Planungssicherheit und Perspektiven für alle Beteiligten. Die Eltern können sich auf eine sportlich attraktive Fußball-Zeit ihrer Kinder vor Ort freuen, für die ein Leitfaden zur Ausbildung und Förderung geschaffen wird. „Die Eltern wissen, dass ihre Kinder immer in Sulingen Fußball spielen können“, sagt Lüdeke. Womit der TuS und der FCS natürlich auch einem Wechsel der Kinder zu anderen Vereinen vorbeugen wollen, weil das Angebot in ihren Clubs wie bisher entweder zu leistungsorientiert oder zu wenig leistungsorientiert war; die Kinder nicht entsprechend ihrer Fähigkeiten spielen konnten, sich unterfordert oder überfordert fühlten. Und gingen. „Jedes Kind muss hier in Sulingen eine seinen Fähigkeiten entsprechende Perspektive haben“, unterstreicht Lüdeke.

„Unser Ziel ist, neben dem Breitensport ab der C-Jugend auf Dauer Fußball auf Bezirks- und Landesebene anzubieten“, erklärt Brock, „um diese Kinder dann auch im Leistungsbereich der Herren zu halten“, fügt Lüdeke an: „Es ist eine Win-Win-Situation für die Kids und anschließend den Herrenbereich der beiden Vereine.“

Und das wiederum sei das entscheidende, perspektivische Ziel der JSG: Die Kinder so zu fördern, dass sie später den Herrenbereich der beiden Clubs unterstützen. Ob Landesliga, Bezirksliga, Kreisliga oder Kreisklasse. „Egal, aus welchem Stammverein das Kind kommt. Sulinger sollten dann in Sulingen bleiben und auch alle die Möglichkeit haben, dies zu tun“, fordert Lüdeke: „Wir wollen mit dieser jahrelangen Gemeinschaft in der JSG verhindern, dass die Jugendlichen nach der U19 zu anderen Vereinen abwandern, sondern sie hier in Sulingen halten.“

Daher beinhaltet eine Vereinbarung der JSG auch, dass die Jugendlichen, die dann in den Herrenbereich wechseln, frei entscheiden können, in welchem der beiden Vereine sie später spielen wollen. Auch wird es dann keine Ausbildungsentschädigungen an die Stammvereine geben, sollte ein Kind im Herrenbereich zum anderen Club wechseln wollen, weil es dort vielleicht für sich die bessere sportliche Perspektive sieht. „Das ist klar festgelegt“, macht Dominic Brock deutlich.

Beide Jugendleiter: D. Brock und A. Lüdeke

Natürlich müsse die neue JSG wie jedes Baby jetzt erst einmal laufen lernen. „Wir sind sehr gespannt“, meinen die beiden Jugendleiter unisono. Für einige Kinder werde es sicherlich eine Umstellung sein, weil sie schließlich sei Jahren mit der gleichen Mannschaft zusammengespielt haben, der eine oder andere sich künftig aber in der ersten oder zweiten Mannschaft wiederfinden wird. „Und es kann durchaus sein, dass einige Eltern mit der Entscheidung der Trainer, wo ihr Kind künftig spielt, nicht immer einverstanden sind“, merkt Andreas Lüdeke an. Doch dem, so Dominic Brock, „sehen wir gelassen entgegen. Wir haben, gerade in den Leistungsmannschaften, richtig gute Trainer, die das Fachwissen, das Auge und auch das richtige Gespür haben.“ So wird Stefan Rosenthal künftig die 1. C-Jugend trainieren, die derzeit noch um den Aufstieg in die Landesliga spielt. Ihm zur Seite stehen Lukas Koop und Lars Mesloh. Die B-Jugend, die noch in die Bezirksliga aufsteigen kann, trainieren Dominic Brock, Hermann Jürgens und Torwarttrainer Jens Stubbemann. Die A-Jugend, die beste Chancen auf den Landesliga-Aufstieg hat, wird künftig von Piotr Skitek und Sascha Feldt trainiert. Im Breitensport wurden ebenfalls bereits Trainer verpflichtet, für einige Mannschaften wie beispielsweise die zweite B-Jugend wird noch nach Übungsleitern gesucht. Trainingszeiten und -orte sowie die Spielstätten werden in den nächsten Wochen besprochen und festgelegt. „Wir werden das sehr ausgewogen und gerecht behandeln“, verspricht Brock.

Schließlich haben die beiden Clubs schon eine gewisse Erfahrung aufzuweisen. Die U12/U13 bildet bereits im zweiten Jahr eine Spielgemeinschaft. „Und dieser Testballon läuft recht gut“, versichert Brock. Lüdeke fügt an: „Über diese Schiene sind wir dann auch  im Oktober wieder in engen Kontakt und in die Gespräche gekommen. Und dann ging alles sehr schnell.“

Auch Dank der beiden Vereine, die ohne Wenn und Aber hinter der JSG stehen und diese voll mit tragen. „Das ist eine super Sache für die Kids. Wir hoffen jetzt auf den entsprechenden Effekt. Beide Vereine ziehen für die Kinder an einem Strang“, freut sich FC-Vorsitzender Lars Grunert: „Sulingen ist schon jetzt eine Top-Adresse für Jugendfußball. Und das können wir noch weiter ausbauen!“ Ralf Knake, Abteilungsleiter Fußball im TuS Sulingen, ist ebenfalls happy: „Das ist eine Top-Sache für Sulingen und die beste Lösung, auf  Dauer Breiten- und Leistungssport anbieten zu können. Ein Verein allein hätte das nicht mehr hinbekommen. So können die Spieler in Sulingen bleiben. Und ich bin mir sicher: Die meisten werden auch bleiben.“

TuS und FCS gemeinsam auf einer Linie! Etwas, dass früher auch aufgrund vieler persönlicher Eitelkeiten nur schwer denkbar gewesen wäre. „Vor fünf, sechs Jahren haben wir einen ersten Anlauf genommen, eine JSG zu gründen. Das hat sich dann aber aus unterschiedlichen Gründen gleich wieder zerschlagen“, erinnert sich Brock. „Vor zwei Jahren war dann ein JFV mal kurz ein Thema, doch dazu hätte man einen eigenständigen Verein gründen müssen. Das war dann auch nichts“, ergänzt Lüdeke. Jetzt hat es mit der Spielgemeinschaft endlich geklappt. Zum Wohle aller Fußball-Kids in Sulingen und umzu.

Autor: Arne Flügge